Lithium klimaschonend in Deutschland fördern

Das Karlsruher Unternehmen Vulcan Energy Resources will ab 2026 Lithium für Elektroautos im kommerziellen Maßstab im Oberrheingraben fördern. Zunächst soll Lithiumchlorid gewonnen werden, das in einer neuen Anlage im Industriepark Höchst so weiterverarbeitet wird, dass das Endprodukt in der Batterieherstellung eingesetzt werden kann. So soll die Rohstoffabhängigkeit von China und anderen Ländern reduziert werden.

Von Dirk Mewis

Zwischen Frankfurt am Main im Norden und Basel im Süden hat die Zukunft bereits begonnen: Hier im Oberrheingraben will Vulcan Energy Resources künftig den Lithium-Bedarf decken, der durch die steigende Produktion von Elektroautos entsteht. Gleichzeitig sind die Autobauer in der EU bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen immer noch extrem abhängig von einzelnen Drittstaaten.

„Mit der neuen Verordnung Critical Raw Materials Act (CRMA) will Brüssel deshalb eine zuverlässige und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie Lithium und Silizium sicherstellen. Bis 2030 sollen mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs in der Union erzeugt werden können“, erläutert Dr. Norbert Pralle, Geowissenschaftler und Vice President Innovation and Public Affairs beim Karlsruher Unternehmen Vulcan Energy Resources.

Rohstoffe für Batterien oft CO2-intensiv

Im vergangenen Jahr ist fast jeder fünfte Neuwagen weltweit mit Batterieantrieb gefahren, schätzt die Internationale Energieagentur. In einem direkten Vergleich der Umweltbilanz von Verbrennern und E-Autos gewinnt das Elektroauto schon jetzt. Bei der Kritik an der Ökobilanz von Elektroautos geht es oft um die Rohstoffe für die Batterien und um die Art und Weise, wie sie gewonnen werden. Der hohe Bedarf an Lithium ist ein Grund dafür, dass E-Fahrzeuge bereits einen großen CO2-Rucksack mit sich herumschleppen, bevor sie überhaupt einen Kilometer gefahren sind.

Das Alkalimetall wird bislang fast ausschließlich sehr CO2-intensiv vor allem in Australien und China durch Bergbau gewonnen oder durch Verdunstung von Lithium-reichen Solegewässern, wie beispielsweise in Südamerika, mit problematischen Folgen für den Wasserhaushalt in wasserarmen Gebirgsregionen. Gleichzeitig verschlechtert sich die CO2-Bilanz zusätzlich, weil der Rohstoff zur Verwendung in Elektroauto-Batterien zu Lithiumhydroxid weiterverarbeitet werden muss. Das geschieht zum Großteil in China – was lange Transportwege erfordert.

Wo der Treibstoff der Elektroautos schlummert: Geschätzte Menge der Lithiumreserven weltweit (in Mio. Tonnen)
Quelle: United States Geological Survey (USGS)

Diesen Kohlendioxid-Ballast werden wir massiv verkleinern. Bei Vulcan Energy Resources gewinnen wir das Lithium nahezu klimaneutral.

Dr. Norbert Pralle, Geowissenschaftler und Vice President Innovation and Public Affairs bei Vulcan Energy Resources

Größtes Lithium-Vorkommen Europas

Dazu will das Unternehmen im Oberrheingraben das größte Lithium-Vorkommen Europas anzapfen ( Reportage von WDR ). Die etwa 300 Kilometer lange und bis zu 40 Kilometer breite Tiefebene befindet sich in Südwestdeutschland, der Schweiz und Ostfrankreich und erstreckt sich zwischen Frankfurt am Main und Basel. Die Region verfügt über salzhaltiges Tiefengrundwasser, das Zehntausende Tonnen des Alkalimetalls in sich tragen soll. Das Unternehmen, das an der australischen Börse notiert ist, hat im Oberrheingraben für mehrere Gebiete sogenannte Aufsuchungslizenzen erworben, die es ermöglichen, dort nach vorhandenem europäischem Lithium zu suchen und Projekte zur Lithium-Gewinnung zu entwickeln. Schätzungen zufolge ließen sich dort 40 % des europäischen und sogar der gesamte deutsche Bedarf an Lithium decken.

„Wir wollen in einer ersten Projektphase 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr fördern. Das reicht für die Herstellung von Batterien für 500.000 Elektromobile“, sagt Pralle.

Optimierungsanlage für Förderprozess CO2-neutral

Der Gewinnungsprozess wurde bereits als CO2-neutral zertifiziert. Das saubere und klimaschonende Verfahren läuft mehrstufig ab und beginnt mit dem Pumpen des 165 Grad heißen Thermalwassers aus den unterirdischen, bis zu vier Kilometer in der Tiefe liegenden Reservoiren an die Oberfläche. In einer Extraktionsanlage wird der Akku-Rohstoff in Form von Lithiumchlorid aus dem Wasser herausgefiltert. Die überschüssige Energie wird in das öffentliche Wärme- und Stromnetz eingespeist. Das verwendete Lithium-arme Thermalwasser führt das Unternehmen anschließend in das natürliche Reservoir zurück. Ein Problem mit einem sinkenden Grundwasserspiegel entstehe nicht, so Pralle, denn das Unternehmen stelle sicher, dass es keine Verbindung zwischen den Thermalbohrungen und den Grundwasserleitern gebe. Darüber hinaus sei der Wasserverbrauch bei den angewendeten Verfahren wesentlich geringer als bei konventionellen Verfahren, denn das zur Extraktion eingesetzte Wasser werde in einem geschlossenen Kreislauf geführt. Der Wasserverbrauch bleibe damit minimal. Gleiches gelte für den Flächenverbrauch und die Auswirkungen auf die Umwelt.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat das Unternehmen den Lithium-Produktionsprozess in zwei Pilotanlagen im rheinland-pfälzischen Insheim erfolgreich getestet. Im benachbarten Landau wird eine Lithium-Extraktionsoptimierungsanlage (LEOP) betrieben, in der Lithiumchlorid gewonnen wird. Die Anlage ist im Maßstab 1:50 im Vergleich zur geplanten kommerziellen Lithium-Extraktionsanlage (LEP) aufgebaut und verfügt über dieselbe Ausrüstung wie die künftige kommerzielle Lithium-Extraktionsanlage.

Geothermiekraftwerk und Anlage zur Lithiumgewinnung in Insheim

Zentrale Lithium-Anlage im Industriepark Höchst

Das in Landau produzierte Lithiumchlorid wird anschließend in einer Lithium-Elektrolyse-Optimierungsanlage (CLEOP) im Industriepark Höchst weiterverarbeitet. Sobald der kommerzielle Betrieb aufgenommen wird, soll dieser Schritt dann in einer Zentralen Lithium-Anlage (CLP) im Industriepark Höchst erfolgen, deren Bau Vulcan Energy Resources langfristig plant.

Ein wichtiger Meilenstein ist unterdessen bereits erreicht: Im April 2024 wurde das Richtfest für die Pilotanlage CLEOP gefeiert, die vor allem dazu dienen soll, den Betrieb zu optimieren und das Unternehmen auf die kommerzielle Produktion ab dem zweiten Halbjahr 2026 vorzubereiten.

„Die erste Ausbaustufe in Höchst wird auf 24.000 Tonnen Lithiumchlorid ausgelegt sein. Wir haben aber Optionen für eine modulare Erweiterung, im Augenblick für das Dreifache“, erläutert Pralle.

Nach der Weiterverarbeitung im Industriepark Höchst kann das Material in einer Lithium-Ionen-Elektroauto-Batterie verwendet werden. Abnahmeverträge oder Kooperationen auf Investorenebene bestehen bereits mit dem Volkswagen-Konzern, der Stellantis-Gruppe, Renault, dem belgischen Recyclingunternehmen Umicore sowie dem südkoreanischen Akku-Hersteller LG Energy Solutions, der als einer der weltweit größten Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien gilt.

Wichtiger Schritt aus der Rohstoffabhängigkeit

Dass sich das Ganze rechnet, davon ist Pralle überzeugt. In den vergangenen Jahren sei der Preis für die Tonne Lithium von etwa 10.000 auf rund 60.000 Euro gestiegen. Inzwischen würde der Preis wieder sinken und sich voraussichtlich bei 20.000 Euro einpendeln. Zum Vergleich: Die Produktionskosten für eine Tonne Lithiumhydroxid aus dem Oberrheingraben werden laut Pralle wohl unter 5.000 Euro liegen. Neben den Kosten sieht er einen weiteren Vorteil: Die Wege zu den immer häufiger in Deutschland zu findenden Fabriken für Elektroauto-Batterien wären deutlich kürzer.

Das minimiert die Transportkosten, verringert den CO2-Ausstoß und macht die Autohersteller unabhängig von den komplexen weltweiten Lieferketten, die auch zum Spielball geopolitischer Überlegungen werden können.

Dr. Norbert Pralle, Geowissenschaftler und Vice President Innovation and Public Affairs bei Vulcan Energy Resources

Kontakt