Rohstoffe für die Mobilität der Zukunft

An China kommt die internationale Automobilindustrie derzeit einfach nicht vorbei: Wichtige Materialien für den Bau von Batteriezellen, die in E-Autos verwendet werden, kommen aus dem Reich der Mitte und sorgen für eine starke Abhängigkeit vom dortigen Markt. Doch es geht auch anders: AMG Lithium entwickelt im Industriepark Höchst Materialien für E-Auto-Batterien.

Von Thomas Kölsch

Lithiumhydroxid-Flasche im F&E-Labor von AMG Lithium im Industriepark Höchst

Ob Lithiumhydroxid oder Lithiumcarbonat – bei wichtigen Rohstoffen für die Elektromobilität haben chinesische Unternehmen oft die Nase vorn. Doch mit Blick auf die geplante vollständige Umstellung auf Elektromobilität in der EU bis 2035 versuchen europäische Unternehmen zunehmend, eine Alternative zu bieten. Dies gilt auch für den niederländischen Metallurgiekonzern AMG, der in Sachsen-Anhalt eine Raffinerie für Lithiumhydroxid gebaut hat, die bald ihre Produktion aufnehmen kann. Die nötigen Vorarbeiten hat die Konzerntochter AMG Lithium in ihrem Forschungs- und Entwicklungslabor im Industriepark Höchst geleistet.

Lithiumnachfrage wird weiter steigen

Die Fabrik in Bitterfeld-Wolfen ist für den Konzern ein Meilenstein, wird AMG so doch der erste Anbieter von Lithiumhydroxid in Batteriequalität mit einer Produktionsstätte auf dem europäischen Festland sein. Derzeit laufen die ISO-Zertifizierungs- und Prozessvalidierungsarbeiten, bevor dann der erste Testlauf durchgeführt werden kann. Im Grunde ist das eine Formsache, immerhin hat AMG den vom Industriepartner GEA entwickelten Prozess im Industriepark Höchst sorgfältig nachgestellt und die Funktionalität der Prozesskette bestätigt. Ein entscheidendes Urteil steht allerdings noch aus: das der Kathodenproduzenten, die das Lithium weiterverarbeiten.

Wenn wir die Anlage hochfahren, erhalten sie als unsere direkten Kunden eine erste Lieferung, um die Qualität eigenständig zu testen und zu beurteilen. Dieser Vorgang kann bis zu sechs Monate dauern. Wir haben aber keinen Zweifel, dass alle noch ausstehenden Tests und Auditierungen die Erwartungen erfüllen.

Stefan Scherer, Geschäftsführer von AMG Lithium

Dann werden auf dem europäischen Markt mit einem Mal zusätzliche 20.000 Tonnen Lithiumhydroxid zur Verfügung stehen – und das soll erst der Anfang sein.

Abnehmer für den Rohstoff gibt es genug: Volkswagen errichtet derzeit zusammen mit Northvolt eine eigene Batteriefabrik in Salzgitter. Weitere Anlagen hat der Automobilkonzern zwar angekündigt, doch derzeit scheinen die Vorhaben auf Eis zu liegen und VW baut wegen niedrigerer Energiekosten lieber in Kanada. Das könnte sich bei möglichen Subventionen der EU schnell wieder drehen. Mercedes-Benz plant ebenfalls vier Zellenfabriken in Europa, ähnlich wie zwei Zulieferer für Renault, Nissan und Mitsubishi oder der Konzern Stellantis, und auch Tesla will wohl eine Batteriefabrik im deutschen Werk Grünheide bauen. EU-Prognosen zufolge wird die Nachfrage nach Lithium innerhalb der Staatengemeinschaft bis 2030 18-mal höher sein als heute und bis 2050 sogar 60-mal, wie aus einem Briefing des European Parliamentary Research Service hervorgeht. Viel Potenzial also für AMG Lithium, das mit dem südkoreanischen Unternehmen EcoPro bereits einen ersten größeren Vertrag über die Lieferung von mindestens 5.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr unterzeichnet hat.

Forschungs- und Entwicklungslabor von AMG Lithium im Industriepark Höchst

Wertschöpfungskette nach Europa holen

Doch AMG Lithium will mehr. Mittelfristig plant das Unternehmen, die gesamte Lithium-Wertschöpfungskette so weit wie möglich nach Europa zu holen. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder bemerkt, wie problematisch starke Abhängigkeiten von einem einzelnen Land sein können“, sagt Scherer.

Derzeit ist die Nachfrage nach Batterierohstoffen recht hoch, was durchaus zu Engpässen führen kann, wenn wir nicht aufpassen und flexibel sind. Und Lithium ist für die Elektromobilität bislang alternativlos. Eine Lücke in der Versorgung können wir uns daher auf Dauer nicht leisten.

Nicht ohne Grund betreibt AMG in Brasilien bereits eine eigene Lithium-Mine; außerdem hat sich der Konzern in das Unternehmen Zinnwald Lithium eingekauft, das im Erzgebirge nach dem begehrten Rohstoff graben möchte. Sollte Zinnwald Lithium dort fündig werden, würde das die Lieferkette deutlich verkürzen und käme auch den Wünschen der EU-Kommission entgegen, die mit dem „Critical Raw Materials Act“ den Abbau strategisch wichtiger Rohstoffe vereinfachen will. Gleichzeitig könnte dadurch auch der Aspekt der Nachhaltigkeit stärker forciert werden als bisher: „In China wird gern schnell, aber auch nach niedrigen Umweltstandards produziert“, so Scherer.

„Nicht immer werden die gleichen Maßstäbe bezüglich CO2-Effizienz und ESG im Allgemeinen angelegt, wenn man die zurzeit dominierenden chinesischen Produzenten mit den westlichen Akteuren vergleicht. Das führt zu der absurden Situation, dass etwa Automobilhersteller europäische Rohstoffproduzenten als Erstes nach dem CO2-Fußabdruck fragen, weil das gesellschaftlich erwartet wird, während sie gleichzeitig Lithium in Asien kaufen.“

Forschung an neuen Materialien

Beides will AMG ändern. Zum einen soll der Konverter in Bitterfeld-Wolfen, der lithiumhaltige Ausgangsstoffe zu Batteriequalität veredelt, bis 2030 einen Output von bis zu 100.000 Tonnen erreichen, was für rund 2,5 Millionen Elektrofahrzeuge pro Jahr reichen würde. Zum anderen testet das Unternehmen im Industriepark Höchst Verfahren, um Lithium und andere wichtige Rohstoffe unter anderem durch das Recycling von Batterien wiederverwenden und in die Fabrik zurückführen zu können. „Wir legen Wert darauf, eine möglichst breite Palette an Ausgangsmaterialien verwerten zu können, und werden den Standort Bitterfeld nach und nach entsprechend ausbauen“, sagt Scherer.

„Gleichzeitig entwickeln wir aber auch zusammen mit industriellen Partnern sowie verschiedenen Forschungsinstitutionen neuwertige Materialien, die für kommende Generationen von leistungsfähigen Lithium-Festkörper-Batterien benötigt werden. In diesem Bereich sind wir weltweit ganz vorne mit dabei."

Über AMG Lithium

Die AMG Lithium GmbH ist eine Tochtergesellschaft von AMG Critical Materials N.V., einer weltweit operierenden Unternehmensgruppe für kritische Rohstoffe, Mineralprodukte und hochspezialisierte Ofensysteme mit über 3.600 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar. AMG Lithium wurde 2018 gegründet und hat seinen Sitz im Industriepark Höchst, wo sich das Unternehmen auf die Produktion und Entwicklung von neuartigen, Lithium-basierten Materialien für Batterien der nächsten Generation konzentriert.

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