Neue Ära bei der Behandlung schwerer Erkrankungen
Biologika versprechen neue Behandlungsmöglichkeiten bei schweren Erkrankungen: Antikörper, Proteine oder Enzyme greifen gezielt in die krankheitsauslösenden Prozesse ein. Am BioCampus von Sanofi im Industriepark Höchst werden solche neuartigen Medikamente nicht nur entwickelt, sondern auch produziert und nach erfolgreicher Zulassung den Patienten zur Verfügung gestellt. Diese Verzahnung macht den Verbund zu einem der größten pharmazeutischen Forschungs- und Produktionsstandorte von Sanofi weltweit.
Von Dirk Mewis
Viele Krebserkrankungen, die früher ein Todesurteil waren, können heute erfolgreich behandelt werden. Nicht zuletzt dank gezielter Biologika, wie monoklonale Antikörper.
Biologika haben aber auch bei vielen immunologisch basierten Erkrankungen einen wichtigen Beitrag zu moderner therapeutischer Behandlung geleistet, beispielsweise bei entzündlichen Hauterkrankungen oder Asthma. Die Forschenden bei Sanofi arbeiten daran, die umfassenderen Immunmechanismen zu identifizieren, die bei der Bekämpfung von Krankheiten helfen könnten. Dies wiederum nutzen sie bei der Suche nach neuen Behandlungen, die die Mechanismen des Immunsystems anwendbar machen.
„Mit den Biopharmazeutika begann eine neue Ära bei der Behandlung schwerer Erkrankungen wie Krebs, Autoimmunerkrankungen, rheumatoider Arthritis oder im Bereich der ‚Seltenen Erkrankungen‘.“
Dr. Marion Zerlin, Geschäftsführerin Forschung & Entwicklung von Sanofi in Deutschland
Mit diesem Ansatz der Immunoscience wendet Sanofi Wissen und Expertise über biologische Signalwege in verschiedenen, manchmal scheinbar nicht miteinander verbundenen Therapiebereichen an – mit dem Ziel, neue Behandlungsoptionen zu entwickeln.
Individualisierte Therapien
Bei bestimmten Indikationen geht der Trend daher immer mehr in Richtung vollständig individualisierter Therapien. Beispielsweise sucht man nach Wirkstoffen, die in die Veränderung des Gleichgewichts gestörter Immunantworten bei chronischen Krankheiten eingreifen oder durch die Anwendung immunvermittelter Mechanismen zur Bekämpfung von Krankheiten beitragen.
Neue biologische Therapien geben inzwischen vielen Menschen Hoffnung, für deren Krankheiten es bisher keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten gab. So lag bei Brustkrebs die durchschnittliche Fünf-Jahres-Überlebensrate für Frauen Mitte der 1970er-Jahre bei 75 Prozent; aktuell liegt sie bei 90 Prozent. „Gegenüber Medikamenten aus synthetisch hergestellten kleinen Molekülen werden Biologika wie Antikörper, Proteine oder Enzyme in biologischen Systemen wie etwa Hefen, Bakterien oder tierischen Zellen hergestellt“, fasst Zerlin die Entwicklung zusammen. Mittlerweile seien schon mehr als zwei Drittel der Wirkstoffe in der klinischen Forschung Biologika, „deren Molekülstruktur deutlich komplexer ist. Auch die Herstellung und die damit verbundenen Prozesse sind anspruchsvoller.“
Zehntausende von Wirkstoffen gleichzeitig testen
Im Jahr 2021 lag der Anteil der Biologika an den Neuzulassungen in Deutschland bereits bei 46 Prozent, Tendenz steigend. „Im Schnitt dauert es 12 Jahre, bis ein Medikament eine Zulassung erhält“, erläutert Zerlin.
Bei 80 Prozent der Forschungsprojekte handelt es sich mittlerweile um Biologika. Schon heute nutzt Sanofi die Automatisierung und Digitalisierung, um Zehntausende von Wirkstoffen gleichzeitig zu testen und Molekülstrukturen am Computer zu designen. Künstliche Intelligenz soll gleichzeitig helfen, die molekularen Zusammenhänge von Krankheiten besser zu verstehen.
Basierend auf Daten beispielweise aus klinischen Studien werden zudem Modelle entwickelt. Die Forscher nutzen diese, um einen sogenannten virtuellen Patienten zu erstellen. Damit können sie klinische Studien am Computer simulieren – beispielweise, wie ein Wirkstoff im Körper metabolisiert wird – und können dann gezielter entscheiden, welche Dosierungen der Moleküle in die klinischen Studien gehen.
Den geeigneten Angriffspunkt finden
„Wir fragen uns in der Forschung zunächst: Wie schaffen wir es, dass ein Medikament möglichst zielgenau gegen eine Krankheit wirkt? Dafür entwickeln wir eine Hypothese, um einen geeigneten Angriffspunkt, ein sogenanntes Target, zu finden“, skizziert Zerlin die Vorgehensweise.
Im Fokus stehen beispielsweise Enzyme oder Rezeptoren, die in den Krankheitsprozess eingebunden sind. Danach beginnt die Suche nach Wirkstoffen, die an diesem Target angreifen und so seine Funktion beeinflussen.
Diese neuen potenziellen Kandidaten werden am BioCampus von Sanofi im Industriepark Höchst dann auf ihre Wirksamkeit geprüft. Wie geht der Körper mit dem Arzneimittel um, wie wird es verteilt und abgebaut?
Forschung, Entwicklung und Herstellung
In Frankfurt liegen nicht nur die Wurzeln des Pharmakonzerns, der Standort ist auch der größte integrierte Produktions- und Fertigungsstandort von Sanofi weltweit und an der Wertschöpfungskette vieler Arzneimittel beteiligt.
Rund 6.200 Mitarbeitende, davon rund 1.000 in der Forschung, sind auf dem BioCampus im Industriepark Höchst tätig. Der Verbund umfasst Forschung und Entwicklung auf der einen sowie Produktion und Fertigung auf der anderen Seite. Der Vorteil: Forscher arbeiten hier bereits in einer frühen Phase der Entwicklung mit Kollegen aus Produktion und Fertigung, die die passenden Applikationshilfen für die Medikamente entwickeln.
Neue Technologieplattformen
Zerlin ist überzeugt, dass die medizinische Biotechnologie die Pharmalandschaft noch weiter verändern und zugunsten der Patienten voranbringen werde. So arbeite das Unternehmen an mehreren biopharmazeutisch hergestellten Wirkstoffen, die auf unterschiedliche Weise auf die unterschiedlichen immunologischen Signalwege abzielen. Darunter beispielsweise ein Nanobody-Molekül. Dieses könne zwei Signalproteine blockieren, die an verschiedenen Punkten eines Signalwegs vorkommen. Der duale Mechanismus soll dazu beitragen, die Chance auf Wirksamkeit zu erhöhen und zudem auch spezifische Krankheitspathologien bei verschiedenen Patienten präziser anzugehen.
Aktuell umfasst die globale F&E-Pipeline bei Sanofi 78 Arzneimittel- und Impfstoffkandidaten. 32 Projekte sind davon bereits in der klinischen Phase 3 oder liegen den Zulassungsbehörden zur Genehmigung vor. Mehr als 6,7 Milliarden Euro wurden 2023 in die Forschung und Entwicklung investiert – und damit in die medizinische Versorgung der Zukunft.