Biokunststoffe aus Kohlendioxid

Ein hessisches Start-up revolutioniert den Umweltschutz: Mit einer neuartigen Technologie wandelt CO2BioClean industrielle CO2-Emissionen in schnell kompostierbare Biokunststoffe um. Jetzt geht das junge Unternehmen noch einen Schritt weiter: Die Versuchsanlage im Industriepark Höchst wurde in Betrieb genommen.

Von Thomas Kölsch

Den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß reduzieren, Kunststoffabfälle recyceln – das Start-up CO2BioClean hat einen Weg gefunden, um beide Herausforderungen zu meistern: Es will CO2 mithilfe einer auf Bakterien basierenden, weltweit patentierten Technologie in biologisch abbaubare Kunststoffe umwandeln, die unter anderem für Verpackungsartikel und Textilien verwendet werden können.

Quelle: statista.com und Umweltbundesamt

Versuchsanlage ist an den Start gegangen

Im Industriepark Höchst hat das Unternehmen eine 350-Liter-Versuchsanlage errichtet und in Betrieb genommen, mit der das Verfahren unter Realbedingungen getestet wird.

Dr. Alessandro Carfagnini und Dr. Fabiana Fantinel, Gründer CO2BioClean

Gegründet wurde CO2BioClean 2019 von Dr. Fabiana Fantinel und Dr. Alessandro Carfagnini. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder zusammengearbeitet, vor allem im Bereich von Polyhydroxylalkanoaten (PHA)“, erklärt Fabiana Fantinel.

Dabei handelt es sich um Polymere, die nicht auf Rohstoffen wie Erdöl basieren, sondern vielmehr von bestimmten natürlich vorkommenden, nicht-pathogenen Bakterienstämmen produziert werden.

„Schon in den 1960er Jahren haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit diesem Phänomen beschäftigt, als Kohlenstoffquellen aber eher verschiedene Zucker, Öle oder Fette verwendet.

Wir dagegen haben in zweijähriger Forschung nicht nur nachweisen können, dass Kohlenstoffdioxid als Ressource ebenfalls gut geeignet ist, sondern auch einen Weg gefunden, um dieses Verfahren zu industrialisieren“, so Fantinel. Ein 10-Liter-Prototyp habe unter Laborbedingungen schon hervorragend funktioniert, mit der neuen Anlage im Industriepark Höchst solle nun die Skalierbarkeit demonstriert und zugleich das Verfahren optimiert werden. „Wir müssen natürlich die Prozessparameter anpassen, aber letztlich ist dieser Schritt nur eine Ingenieursaufgabe“, betont Fantinel.

Ziel ist es, am Ende über eine modulare Technologie zu verfügen, die direkt in die CO2-emittierenden Fabriken integriert werden kann. „Das ermöglicht den entsprechenden Unternehmen, ihre Kosten in Form von CO2-Zertifikaten zu reduzieren und gleichzeitig Polymere herzustellen, die sie entweder verkaufen oder selbst weiterverarbeiten können“, führt Fantinel aus.

„Mit unserem Verfahren kann man sogar verschiedene Polymer-Typen herstellen, für die man zwischen 1,5 und 2,5 Kilogramm CO2 pro Kilogramm PHA benötigt. Wenn wir nur ein Zehntel der weltweiten CO2-Emissionen mit unserem Verfahren umwandeln könnten, wäre der europäische Kunststoffbedarf bereits vollständig gedeckt.“

Wachstumspotenzial ist enorm

Grundsätzlich ist der Prozess dreigeteilt:

  • Zunächst muss das Kohlenstoffdioxid direkt bei den Verursachern eingefangen und gereinigt werden, was aber etwa in der Ölindustrie bereits etabliert ist.
  • In einem zweiten Schritt wird das CO2 dann Bakterien zugeführt und damit ein Fermentationsprozess in Gang gebracht. „Dabei kommt es zu einer intrazellulären Polymerisation“, erklärt Fantinel.
  • „In einem dritten Schritt separieren wir die Biomasse und extrahieren die PHA.“ Die Polymere könnten dann weiterverarbeitet werden, insbesondere in Produktfeldern, bei denen ihre biologische Abbaubarkeit einen essenziellen Vorteil darstellt – angefangen bei kompostierbaren Müllbeuteln über Textilien und Fischernetze bis hin zu medizinischen Produkten.

Unsere Biopolymere werden sich in der Regel innerhalb eines Jahres aufgelöst haben. Dementsprechend gibt es keine langfristige Belastung mit Mikroplastik in den Ozeanen oder auf Wiesen und Feldern.“

Dr. Fabiana Fantinel, Gründer CO2BioClean

Die Erwartungen an das Start-up sind zweifellos hoch, doch sollte es sich erfolgreich am Markt etablieren können, wäre das Wachstumspotenzial enorm. Das Interesse an dieser und vergleichbaren Technologien ist groß – schließlich hat US-Präsident Joe Biden erst im März 2023 bekannt gegeben, dass er 90 Prozent der in den Vereinigten Staaten verwendeten Kunststoffe durch Bioplastik ersetzen möchte . Die Chancen für ein Unternehmen wie CO2BioClean stehen daher gut, zumal das Eschborner Unternehmen schon 2020 von der EU-Kommission mit dem „Seal of Excellence“ geehrt wurde und ein Jahr später beim EIC Accelerator, einem der anspruchsvollsten Innovationsförderprogramme Europas, die Fachjury überzeugte. 2023 sicherte sich CO2BioClean zudem Gelder verschiedener institutioneller und privater Investoren, um die Anlage im Industriepark Höchst aufbauen zu können. Und auch erste Kooperationen mit Industriepartnern wie Procter & Gamble sind längst unter Dach und Fach.

Viel Raum für alternative Ansätze

Für Fabiana Fantinel ist CO2BioClean der derzeitige Höhepunkt einer ungewöhnlichen Laufbahn. „Ursprünglich habe ich meinen Abschluss in nicht linearer Optik an der Universität von Padua gemacht, war also auf einem ganz anderen Feld tätig“, sagt sie. „Nach der Promotion wechselte ich an das Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, wo ich mich mit biologischen Materialien beschäftigt habe, die unter anderem in Computermonitoren zur Anwendung kommen sollten. Irgendwann habe ich mich umorientiert und Biopolymeren zugewandt.“ Zwischendurch machte Fantinel ihren Master of Business Administration (MBA), arbeitete für Chemie-Riesen wie BASF und LyondellBasell sowie als Engagement Manager für ein McKinsey-Spin-off und für die Unternehmensberatung Capgemini Business Consulting. Außerdem war sie als Beraterin für das Förderprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union tätig.

Ihr Kollege Alessandro Carfagnini, ebenfalls Geschäftsführer bei CO2BioClean, ist Mitbegründer von SabioMaterials und verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit Biokunststoffen und der Entwicklung umweltfreundlicher thermoplastischer Materialien. „Wir glauben daran, dass es abseits konservativer Methoden der Big Player viel Raum für alternative Ansätze gibt“, betont Fantinel.

„Für viele Herausforderungen gibt es Lösungen, die der Umwelt nicht schaden. Mit CO2BioClean reduzieren wir die CO2-Emissionen und produzieren gleichzeitig Kunststoffe, die wiederum selbst große Vorteile gegenüber herkömmlichem Plastik haben. Das ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.“
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