03.09.2020
Wie neue, schlanke Arbeitsmodelle und das Thema Nachhaltigkeit die moderne Laborwelt beeinflussen
Interview mit den Laborexperten Sascha Schieber und Frank Pauli
Laborplanung, -bau und -betrieb in bewegten Zeiten
Wir erleben derzeit eine weitere industrielle Revolution. Getrieben wird sie hauptsächlich von den Faktoren Globalisierung, Digitalisierung und neuen, agilen Arbeitsmodellen. Zunehmend fachübergreifendes Denken führt dazu, dass auch Labore enger als bisher in die ganzheitlichen Arbeitsprozesse von Unternehmen mit eingebunden werden. Wir sprachen bei Infraserv Höchst mit Sascha Schieber, Facilities Services, Leitung Planen und Bauen, und Frank Pauli, Facilities Services, Leitung Objektbetrieb, darüber, welche Herausforderungen sich aus aktuellen Marktentwicklungen für einen Labordienstleister wie Infraserv bei Laborplanung, -bau und -betrieb ergeben.
Von Laborplanung, -bau und -betrieb bis hin zum kompletten Facility-Management bietet Infraserv für die unterschiedlichsten Branchen alle Leistungen rund ums Labor. Warum dieser Komplettansatz?
Frank Pauli: Das Labor von heute stellt wesentlich komplexere Anforderungen an Planer, Betreiber und Nutzer als noch vor 20 Jahren. Daraus ergeben sich immer strengere gesetzliche und regulatorische Vorgaben hinsichtlich des Umweltschutzes, der technischen Sicherheit, des Umgangs mit Gefahrstoffen sowie des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit. Maßgebend sind hier vor allem die Laborrichtlinien der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI).
Sascha Schieber: Ergänzend möchte ich anmerken, dass sich unsere Arbeitswelten in den letzten Jahren rasant verändert haben. Wir arbeiten vernetzter und agiler denn je. Das interdisziplinäre Arbeiten, insbesondere im Bereich FuE, erfordert auch in unseren Laboren völlig neue Strukturen.
Frank Pauli: Guter Hinweis, auch ich merke in Kundengesprächen immer wieder deutlich, wie sehr sich die Anforderungen an Labore als Arbeitsumgebung in den letzten Jahren gewandelt haben. Um all dies zu jeder Zeit optimal abbilden zu können, brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur die aktuellen Bedürfnisse, sondern den gesamten Lebenszyklus mit den sich ändernden Anforderungen eines Labors erfasst.
Welche Aspekte sind bei der Planung eines Labors besonders wichtig?
Frank Pauli: Was in der ersten Phase der Laborplanung immer wieder vernachlässigt wird: Die Budgetkalkulation muss von Anfang an zum Laborkonzept passen. Und da gilt es eben nicht nur den regulären Laborbetrieb zu berücksichtigen, sondern mit Blick auf die Nutzungsdauer auch genügend Flexibilität für Technik und Flächen einzuplanen.
Die Erfahrung zeigt, dass sich Laborflächen nicht selten nach relativ kurzer Zeit anderen Anforderungen stellen müssen. Das ist natürlich auch aus Betriebssicht relevant: Es macht Sinn, bereits in der Bauphase den späteren Betreiber mit an Bord zu nehmen, um ein nachhaltiges Instandhaltungskonzept, Stichwort Predictive Maintenance, zu entwickeln.
Sascha Schieber: Hier ist es wichtig, dass die Anforderungen an das Labor und die technischen Anlagen in einer frühen Projektphase zusammengestellt werden. Nachträgliche Veränderungen führen in der Regel zu Betriebsausfällen und damit oft zu horrenden Zusatzkosten, wenn beispielsweise wichtige Technologien nicht redundant ausgelegt oder Wartungspläne nicht optimal abgestimmt sind.
Die Budgetkalkulation muss von Anfang an zum Laborkonzept passen.
Frank Pauli: Aber aus Erfahrung lernt man eben auch: Alle technischen Anlagen müssen im Laborbetrieb jederzeit verfügbar sein. Deshalb ist es zum Beispiel wichtig, auch kleinen Details wie der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung schon in der Planung genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Durch technische Maßnahmen wie beispielsweise RCD Twin oder Gefährdungsanalysen lassen sich an dieser Stelle die Wartungszyklen verlängern. Dadurch kann man mit einer durchdachten Wartungsplanung oftmals viel Zeit und Geld sparen.
Wir fragen immer erst, was der Kunde wirklich braucht und wie sich seine labortechnischen Abläufe gestalten.
Sascha Schieber: Es ist wichtig, dass das Laborkonzept individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Betreibers abgestimmt ist – von der technischen Ausstattung bis hin zu den spezifischen Arbeitsprozessen. Natürlich spielt dabei das jeweilige Kerngebiet der Forschung eine entscheidende Rolle, aber auch die Definition der Schnittstellen zwischen Labor und anderen Fachbereichen sowie die Anforderungen an Arbeitsplätze und eine entsprechende Flächenplanung – dies alles immer vor dem Hintergrund gesetzlicher Vorschriften hinsichtlich Bauordnung, Gebäude- und Arbeitssicherheit, Gefährdungsbeurteilung und des Umgangs mit gefährlichen Stoffen. Generell muss man stets von Anfang an bei der Planung die gültigen gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen „mitdenken“ – auch im Hinblick auf erforderliche Zertifizierungen, um Folgekosten für Nachbesserungen zu vermeiden.
Frank Pauli: In jedem Fall lohnt es sich, hier einen externen Dienstleister wie Infraserv hinzuzuziehen, der nicht nur mit allen technischen Optionen, wirtschaftlichen Chancen, Fallstricken und aktuellen Bestimmungen vertraut ist, sondern auch jede Menge Erfahrung mit branchenspezifischen Anforderungen mitbringt. Wir fragen immer zuerst danach, was der Kunde wirklich braucht und wie sich bei ihm die labortechnischen Abläufe gestalten.
Sascha Schieber: In diesem Zusammenhang verweisen wir die Entscheider und Laborfachkräfte in Unternehmen gerne auf unsere 6 Goldenen Regeln für die Laborplanung , die einen ersten Überblick darüber vermitteln, welche Faktoren man bereits in der Konzeptionsphase unbedingt berücksichtigen sollte. Denn bei der optimalen Laborplanung geht es um weit mehr als nur um die richtige Bemessung des Budgets. Zunächst wäre da die grundsätzliche Überlegung, ob man ein vorhandenes Labor sanieren oder eine komplett neue Anlage hochziehen will …
Frank Pauli: In allen Fragen rund um die Laborplanung hilft es, möglichst früh ein detailliertes Lastenheft zu erstellen. So läuft man nicht Gefahr, wesentliche Aspekte zu übersehen. Die Bauordnung stellt gerade hinsichtlich des Brandschutzes sehr klare Anforderungen. Werden hier im Nachhinein Mängel erkannt, kann es sein, dass das Labor ohne vorherige aufwendige Umbauten gar nicht genutzt werden darf.
Die Corona-Pandemie stellt für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, aber auch für den Unternehmensalltag in den meisten Branchen eine enorme Herausforderung dar. Wie kann Infraserv als Labordienstleister hier unterstützend eingreifen?
Frank Pauli: Was uns aufgefallen ist: Einige unserer Kunden nutzen die Zeit, um einen eventuellen Reparaturstau auf ihren Flächen abzuarbeiten, ihre Labore zu revitalisieren oder Laborflächen auszubauen. Wir selbst haben zusätzliche Labore vermietet, um kurzfristig Flächen für Covid-19-Analytik bereitzustellen.
Sascha Schieber: Verständlich, denn wir befinden uns jetzt in einer Zeit, in der viele Urlauber, aber auch Geschäftsreisende nach Deutschland zurückkehren – oft aus ausgewiesenen Risikogebieten. An deutschen Flughäfen wie beispielsweise dem Frankfurter Airport, einem Knotenpunkt des weltweiten Flugverkehrs, gilt es deshalb, ausreichende Kapazitäten für Massentests vorzuhalten.
Frank Pauli: Da ist es den Verantwortlichen gelungen, schnell eine Lösung auf die Beine zu stellen.
Sascha Schieber: Neben sauber aufeinander abgestimmten Prozessen und einer reibungslosen Logistik sind hierfür flexible Raummodelle mit Lüftungskonzepten erforderlich, die in den Aerosolen enthaltene SARS-CoV-2-Viren zuverlässig aus der Raumluft herausfiltern. Wir können in all diesen Punkten helfen und gemeinsam mit den Kunden recht schnell die passenden Lösungen realisieren.
Einige unserer Kunden nutzen die Zeit, um ihre Labore zu revitalisieren oder auszubauen.
Frank Pauli: Natürlich beschränken sich der erhöhte Testaufwand und der damit verbundene Analytikbedarf nicht nur auf den Reisebereich – wie zum Beispiel die Corona-Hotspots in der fleischverarbeitenden Industrie oder in der Landwirtschaft gezeigt haben.
Sascha Schieber: Hier sind viel Aufklärungsarbeit und Kontrollen hinsichtlich der Hygieneanforderungen am Arbeitsplatz erforderlich. Infraserv-Experten können hier kompetent beraten, die Gegebenheiten vor Ort überprüfen sowie entsprechende Handlungsempfehlungen abgeben und umsetzen.
Labore werden immer mehr in abteilungsübergreifende, interdisziplinäre Prozesse eingebunden. Welche Auswirkungen hat dies auf das Labor-Facility-Management?
Frank Pauli: Neue Arbeitsweisen erfordern auch neue Strukturen im Labor. Wir verfolgen die Entwicklung und die Veränderungen der Arbeitswelt seit Jahren und passen unsere Facility-Management-Konzepte laufend an die aktuellen Anforderungen an. So sind wir in der Lage, Lösungen anzubieten, die auch morgen noch die Erfordernisse des Markts erfüllen – und trotzdem finanzierbar bleiben.
Sascha Schieber: Die Tendenz zur branchen- und fachübergreifenden Zusammenarbeit bringt zahlreiche neue Herausforderungen mit sich: Es gilt nicht nur, kreative Begegnungsflächen mit einzuplanen, die Schnittstellen zwischen Labor, Gebäudebetrieb, Produktion und Verwaltung bilden können, sondern auch noch mehr Normen und Richtlinien zu befolgen …
Frank Pauli: Dabei geht es zum Beispiel um die Themen GMP und Strahlenschutz, die Ausstattung eines Reinraumes oder um die Anforderungen an Tierhaltung und Tierschutz.
Sascha Schieber: All dies erhöht die Komplexität in der Planung – und stellt insbesondere Entscheider und Labormitarbeiter, die mit der Thematik sonst wenig zu tun haben, vor eine schwierige Aufgabe.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert auch neue, komplexere Laborkonzepte.
Frank Pauli: Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Konzeption interdisziplinär genutzter Labore ist die Versorgung, Lagerung und Entsorgung von Chemikalien. Wo Labornutzer aus völlig unterschiedlichen Bereichen etwa in einem Open-Space-Labor zusammenarbeiten, tun sie das unter Umständen mit verschiedenen chemischen Stoffen, die nicht zusammen gelagert werden dürfen. Grundsätzlich muss hier der Gefahrübergang bzw. die Verantwortlichkeit geklärt werden.
Sascha Schieber: Infraserv kann Unternehmen aus allen Branchen bei der Auslegung interdisziplinärer Labore ebenso kompetent wie kosteneffizient unterstützen – auch als Partner, der den Laborbetrieb über Jahre hinweg begleitet, an aktuelle Erfordernisse adaptiert und optimiert. Mit unserer breiten Branchenerfahrung und unserer Kenntnis aller behördlichen Vorgaben können wir an eine solche Aufgabe ganz anders rangehen als ein Laborbetreiber, der eben immer primär sein spezifisches Tätigkeitsfeld vor Augen hat.
Das Thema Nachhaltigkeit und immer strengere Anforderungen an umweltgerechte Prozesse beeinflussen auch das Labormanagement. Wo kann Infraserv hier am besten Unterstützung leisten?
Frank Pauli: Natürlich spielen bei Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch wieder behördliche Regularien eine große Rolle …
Sascha Schieber: … wobei das Thema Nachhaltigkeit natürlich noch ein wesentlich breiteres Spektrum an Aspekten umfasst …
Frank Pauli: Richtig! Denn hier geht es nicht nur um die Umwelt und den sicheren Umgang mit gefährlichen Stoffen, sondern auch um die globale Unternehmensphilosophie, ein Personalmanagement, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, sowie einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Die allgemeine Sensibilisierung für Umwelt und Nachhaltigkeit bewirkt auch Veränderungen in den Laborprozessen.
Sascha Schieber: Kaum ein Unternehmen kann es sich heute noch leisten, den Bereich Nachhaltigkeit zu ignorieren. Er ist zu einem entscheidenden Argument in der erfolgreichen Kundenkommunikation geworden. Deshalb wird auch besonders im Labor nahezu das gesamte Prozessmanagement davon beeinflusst. Das beginnt bei der Energieeffizienz der gesamten Laboranlage, die unter anderem stark von einem richtig dimensionierten, geregelten Abzugssystem für den permanenten Luftwechsel abhängt. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die effiziente Aufbereitung des Laborwassers. Kontinuierliche Fernwartung kann hier dabei helfen, Ausreißer bei den Verbräuchen zu identifizieren und zu beheben – ein weiterer Aspekt, wie Firmen ihren Laborbetrieb gemeinsam mit Infraserv stetig optimieren sowie kosteneffizienter und nachhaltiger gestalten können.
Frank Pauli: Generell wächst die Bedeutung von Laboren für Unternehmen. Denn es geht nicht mehr nur um die Forschung und Entwicklung für neue Produkte, sondern auch um die Verbesserung von Produktionsprozessen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Ressourcen werden immer knapper. Also gilt es, bereits verarbeitete Materialien am Ende des Produktlebenszyklus wiederaufzubereiten und in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen – sei es zur Herstellung neuer Produkte oder zur Energiegewinnung. In vielen Laboren wird dabei wertvolle Forschungsarbeit für neue Modelle der Kaskadennutzung und Kreislaufwirtschaft betrieben.
Traditionelle Arbeitsmethoden weichen zunehmend modularen Ansätzen. Wie lassen sich solche Modelle in Laborplanung, -bau und -betrieb gewinnbringend nutzen?
Sascha Schieber: Indem wir schnell und flexibel auf Änderungen reagieren, zum einen baulich und zum anderen in den Bereichen Facility-Management und Labordienstleistungen. Das gelingt zum Beispiel leichter, indem wir mehrere verschiedene Labortypen zu einem Open-Space-Labor mit variablen Nutzflächen zusammenführen. Durch modulare, offene Konzepte sind wir so in der Lage, immer wieder neue Anforderungen an Services, Medien und andere Betriebsmittel zu erfüllen.
Frank Pauli: Der Trend geht in der Arbeitswelt ja generell hin zu Open-Space-Bereichen, die zum einen Begegnungspunkte für den inspirierenden Gedankenaustausch und zum anderen Gelegenheiten zur Entschleunigung bieten. Das Open-Space-Konzept hat sich auch im Laborumfeld bewährt …
Sascha Schieber: Ja, Frank, wir bekommen immer mehr Anfragen, die auf dieses Konzept abzielen. Multi-User-Laboren oder Working-Floors mit großen Flächen, in denen jegliche Art der Labornutzung möglich ist, gehört sicher die Zukunft. Flexible Trennwandsysteme und Mediendecken erlauben hier schnelle Raumanpassungen, und spezielle Arbeits- und Geräteräume tragen zu einer klaren Strukturierung der Arbeitsbereiche bei.
Frank Pauli: Die Vorteile liegen ja auch auf der Hand: Mit Multi-User- und Open-Space-Konzepten gewinnen Laborbetreiber eine Flexibilität, die vorher undenkbar war. So lassen sich Labore in kürzester Zeit für neue Anwendungen einrichten, und die fachübergreifende Zusammenarbeit war noch nie so einfach.
Sascha Schieber: Man muss eben nur bedenken, dass das Konzept relativ neu und das entsprechende Know-how noch nicht überall verfügbar ist …
Frank Pauli: Aber da können ja dann die Experten von Infraserv beratend einspringen!
Herr Pauli, Herr Schieber, vielen Dank für dieses Gespräch!
Laborplanung, -bau und -betrieb mit Infraserv
Die Leistungen im Überblick
- Standortmanagement, -betrieb und -entwicklung
- Facility-Management mit Planung und Realisierung von komplexen Gebäuden, Laboren und Infrastrukturen
- Outsourcing der Standort- und Betreiberverantwortung
- Standortservices – den Rücken frei haben für Forschung und Produktion
- Umweltschutzlösung mit juristischer Expertise und Behördenkommunikation
- Energiedienstleistungen
- Logistikleistungen entlang der gesamten Lieferkette
- Umweltgerechte Entsorgungslösungen entlang der gesamten Prozesskette
- Arbeits- und Gesundheitsschutz
- Prozesstechnik für höchste Anlagenverfügbarkeit
- Bildung, Schulungen und Trainings