04.04.2024

Herr de Jesus, wie stellt sich aus Ihrer Sicht die derzeitige Situation im Facility Management dar? Was sind die aktuellen Trends?

Carlos de Jesus: Der Begriff Facility Management hat in den letzten Jahren eine Bedeutungsveränderung erfahren. Während noch vor ca. zehn Jahren Facility Management – oder FM – schlicht ein neudeutscher Begriff für „Hausmeisterdienste“ war, ist das Angebotsspektrum im FM heute ungleich breiter aufgestellt. In diesem Kontext etablieren sich zunehmend Begrifflichkeiten wie „integriertes“ oder „wertschöpfendes“ FM. Gerade letztere Bezeichnung deutet schon an, dass sich das Facility Management nicht länger auf Zuarbeiten beschränkt, um „Haus und Hof“ des Auftraggebers in Ordnung zu halten. Stattdessen sehen wir hier komplexe Infrastruktur-Dienstleistungen, die oft eng mit dem Kerngeschäft des Auftraggebers verknüpft sind oder sogar dort hineinreichen.

Heißt das, integriertes Facility Management folgt dem zunehmend zu beobachtenden Trend zum Outsourcing?

Carlos de Jesus: Sowohl lokal als auch deutschlandweit und sogar international beobachten wir hier zwei gegenläufige Trends. Einerseits sehen wir mehr Bereitschaft bei Unternehmen, ein definiertes Bündel an Dienstleistungen komplett in die Hand eines dafür spezialisierten Anbieters abzugeben. Idealerweise wollen diese Auftraggeber einen Dienstleister, der seinen Service über alle Standorte hinweg leisten kann. Im Falle großer internationaler Konzerne geschieht das manchmal sogar weltweit.

In anderen Fällen wiederum – und das ist zum Teil auch branchenabhängig – geht der Trend zurück zum Insourcing. Das ist vor allem überall da der Fall, wo ein FM-Dienstleister überhaupt nicht alle Anforderungen des Kunden fachlich abdecken kann. Hier installiert der Kunde einen eigenen FM-Verantwortlichen bzw. eine zuständige Abteilung, die eine Gruppe regionaler Partner koordiniert.

Welche Rolle spielen die neuen Technologien im integrierten FM? Ich denke hier vor allem an KI und das Internet of Things (IoT)?

Carlos de Jesus: Die Bedeutung der technologischen Entwicklung kann man gar nicht hoch genug einschätzen! Das schreibt schon der allgegenwärtige Fachkräftemangel vor, der natürlich auch vor FM nicht haltmacht. Nehmen wir das Stichwort Smart Building. Automatisierte Gebäudeklimatisierung und Energienmanagement sind nicht neu. Grundvoraussetzung dafür ist eine gute Netzabdeckung zur Sicherstellung des Datenaustauschs, z. B. ein 5G-Netz. Die ist inzwischen in den Unternehmen erkennbar zunehmend gegeben.

Oder nehmen wir das Schlagwort Robotics. Hierbei handelt es sich durchaus nicht nur um Gerätschaften wie Reinigungsroboter, die ja auch schon vielfach im Privatbereich im Einsatz sind, z. B. als selbstfahrende Staubsauger. Auch Datenauslesung, einfache Wartungsarbeiten und Inspektionen an Anlagen können zukünftig von Robotern übernommen werden. Das ist besonders an Stellen praktisch, die für Menschen nur schwer zugänglich sind – der Roboter kann eigens dafür konstruiert und programmiert werden.

KI und das Internet der Dinge werden im Facility Management mit rasender Geschwindigkeit an Bedeutung gewinnen – einfach überall, wo sich etwas remote bedienen oder gar vollends automatisieren bzw. steuern lässt.

Welche Vorteile – außer der offensichtlichen Kostenersparnis – hat das für den Kunden?

Carlos de Jesus: Ich würde hier absolut nicht mehr auf die Kosten fokussieren. Die stehen für viele Kunden schon lange nicht mehr so im Vordergrund. Das Zauberwort von heute heißt Delivery. Am Anfang einer Zusammenarbeit steht in der Regel eine vereinbarte Probezeit mit vertraglich definierten Parametern. In der Folge werden Verträge nach Ablauf immer öfter gar nicht neu ausgeschrieben. Ist der Kunde zufrieden, wird im best case verlängert. Denn am Ende kommt es darauf an, dass die Aufgaben überhaupt erledigt werden. Womit wir wieder beim vielbeschworenen Fachkräftemangel sind.

Was tut die Branche – neben der Automatisierung – gegen den Fachkräftemangel?

Carlos de Jesus: Da gibt es ganz unterschiedliche Strategien. Der Rekrutierungswettbewerb ist natürlich sehr intensiv, entsprechend hart sind die Bandagen, mit denen hier teilweise gekämpft wird. Einzelne Unternehmen greifen zu besonderen Maßnahmen, indem sie kleinere Unternehmen aufkaufen – nicht, um deren Business zu übernehmen, sondern um an das Personal heranzukommen, das dann für die eigenen Stammkunden eingesetzt wird.

Wie sehen Sie die Position von Infraserv im FM-Markt?

Carlos de Jesus: Da sind wir relativ spitz positioniert. Wir gehören nicht zu den größten FM-Dienstleistern – tatsächlich sind wir im Vergleich zu den Marktführern relativ klein. Wir sind auch nicht international aufgestellt – unsere Kunden sind deutschlandweit angesiedelt. Aber dafür sind wir hochspezialisiert. Die Standorte, die wir bedienen, gehören allesamt der Chemie-, Pharma- und Prozessindustrie an. Da haben wir ein besonderes Know-how, weil wir als Eigentümer und Betreiber des Industrieparks Höchst eben ursprünglich selbst aus der Branche kommen. Diese Heritage ist ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern, die ihre Wurzeln im herkömmlichen FM haben.

Nennen Sie uns doch bitte ein paar Beispiele für chemie- und pharma-spezifisches FM.

Carlos de Jesus: Ich habe ja bereits eingangs erwähnt, dass der Trend zunehmend zu integrierten Dienstleistungen geht, die bis in das Kerngeschäft des Auftraggebers hineinreichen. In unserem Fall heißt das beispielsweise, dass wir die oft sehr spezialisierten Analyse-Gerätschaften kalibrieren und warten. Wenn wir das tun, haben wir natürlich auch die Fachkräfte, die diese bedienen können. So können wir auch Routine-Reihenanalysen durchführen, die bei vielen Prozessen anfallen.

Ein anderer Bereich umfasst das gesamte Thema Regulatorik. Es liegt auf der Hand, dass z. B. Arbeitsschutz und Anlagensicherheit hier ein ganz anderes spezifisches Know-how erfordern als beispielsweise in der Autoindustrie oder in der Baubranche.

Wo sehen Sie noch Vorsprünge gegenüber dem Wettbewerb?

Carlos de Jesus: Da wäre das gesamte Feld der branchenspezifischen Digitalisierung zu nennen. Hier sammeln wir an unserem Stammstandort schon seit Jahrzehnten einschlägige Erfahrungen. IoT war im Industriepark Höchst schon Realität, bevor der Begriff überall verbreitet war. Damit haben wir die vorgeschriebenen Dokumentationen entscheidend vereinfacht. Mobile und Predictive Maintenance, also Fern- und vorausschauende Wartung, sind ebenfalls Möglichkeiten, die erst das IoT ermöglicht hat.

Wenn Sie sich in die Position Ihrer Kunden hineindenken – was sehen diese im FM-Dienstleister Infraserv?

Carlos de Jesus: Unsere Kunden sind durchweg Unternehmen mit einer Größe ab 500 Mitarbeitern pro Standort. Die sehen ganz klar den Mehrwert, den unsere Dienstleistung für sie darstellt. Weil wir ein Gesamtpaket an FM-Dienstleistungen anbieten, brauchen sich unsere Kunden fast keine Gedanken mehr um irgendwelche Randprozesse zu machen. Und damit meine ich auch angrenzende Leistungen, die je nach Kundenanforderung zum Tragen kommen und von unserem Gesamtportfolio abgedeckt werden, wie z. B. Arbeitsschutz, Standortservices, Ver- und Entsorgungslösungen, Energiemanagement etc. Auch hier ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem Wettbewerb: Wir können den gesamten Lebenszyklus eines Standorts bedienen – von der Planung und Errichtung über den Betrieb bis hin zu einer späteren Umnutzung und schlussendlich den Rückbau von Gebäuden und Anlagen.

Zusammenfassend – gibt es ein übergreifendes Motto oder Credo in Ihrer Zusammenarbeit mit Ihren Kunden?

Carlos de Jesus: Das Credo unserer Zusammenarbeit ist Zuverlässigkeit: Wir erfüllen schlicht und ergreifend die Leistungen, die wir versprochen und mit dem Kunden vertraglich vereinbart haben. Salopp formuliert: Infraserv liefert ab! Was für uns und unsere Kunden hierbei absolut im Vordergrund steht, ist der Faktor Mensch. Jeder Kunde hat einen Single Point of Contact in Gestalt eines festen Standortverantwortlichen. Der ist immer ansprechbar. Denn Probleme können nur gelöst werden, indem man ausführlich darüber spricht.

Herr de Jesus, wir danken Ihnen für dieses wirklich aufschlussreiche Gespräch!