29.07.2024

F-Gase: Was bringt die Neufassung der Kältemittel-Verordnung?

Am 11. März 2024 trat die Novellierung der EU-Verordnung Nr. 2024/573 über fluorierte Treibhausgase (F-Gase-Verordnung) in Kraft. Verabschiedet wurde die Neufassung im Januar 2024 durch das EU-Parlament nach der Zustimmung des EU-Rats.

Angestrebt wird langfristig ein kompletter Verzicht auf vollfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) im Betrieb von stationären Kälteanlagen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde der in der EU-Verordnung von 2014 bis 2032 auf 21 % vereinbarte „Phase-down“ nun noch weiter verschärft und bis 2050 fortgeschrieben.

Rainer Henrici, Senior Project Manager Umweltschutz und Genehmigungen, und Bastian Kleinhenz, Projektleiter Kältetechnik, Infraserv Höchst

Interview mit Rainer Henrici und Bastian Kleinhenz

Rainer Henrici, Senior Project Manager Umweltschutz/Genehmigungen bei Infraserv Höchst, und Bastian Kleinhenz, Projektleiter Kältetechnik bei Infraserv Höchst, erläutern, welche Auswirkungen die Neufassung der F-Gase-Verordnung für die Betreiber von Kälteanlagen und Wärmepumpen mit sich bringt.

Herr Henrici, warum wurde die F-Gase-Verordnung jetzt erneut aktualisiert?

Rainer Henrici: Wir haben jetzt bereits seit 2006 eine F-Gase-Verordnung, die ursprünglich im Kontext steht mit den Verboten ozonschädigender Stoffe wie FCKW in den 1990er-Jahren. Die Ersatzlösung für FCKW waren chlorfreie Fluorkohlenwasserstoffe, die allerdings das Problem der Treibhauswirksamkeit auch nicht lösen.

Im Jahr 2006 folgte deshalb die erste Regulierung von F-Gasen, abgeleitet aus dem Kyoto-Protokoll. Die Betreiber von Kühlanlagen wurden zunächst angehalten, ihre Systeme besser abzudichten, um die Emissionen zu reduzieren.

Ziele der Novellierung der F-Gase-Verordnung:

  • kompletter Ausstieg aus F-Gasen als Kältemittel für stationäre Kälteanlagen bis 2050,
  • beschleunigter Phase-down gegenüber der EU-Verordnung von 2014,
  • mehr Nachhaltigkeit durch Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen.

Ab 1. Januar 2015 galt die Verordnung (EU) 517/2014, die bereits einige Kältemittel-Verbote enthielt und den Phase-down formuliert, d. h. eine stete Reduzierung der F-Gas-Mengen, die am Markt verfügbar sein dürfen. Hinzu kamen Einschränkungen bei diversen Anwendungen – so mussten die Tieftemperatur-Kältemittel R404A und R507 mit hohen GWP-Werten um 3.900 kg CO2 vom Markt genommen werden. Die meisten anderen Kältemittel waren nach der alten Verordnung nach wie vor noch einsetzbar.

Mit der Novellierung der F-Gase-Verordnung wird der Phase-down für am Markt verfügbare F-Gase noch einmal deutlich verschärft – immer mit dem Bestreben, die Treibhausgas-Emissionen durch Kälteanlagen und Wärmepumpen noch weiter zu reduzieren.

Rainer Henrici, Senior Project Manager Umweltschutz/Genehmigungen bei Infraserv Höchst

Hier setzt nun die neue F-Gase-Verordnung an, die seit dem 11. März 2024 gilt. Diese umfasst einen wesentlich drastischeren Phase-down bei Produkten, die auf dem Markt verfügbar sind: Vorher strebte man bis 2032 ein Phase-down der teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (HFKW) bis 21 % an. Jetzt ist das politische Ziel, bis spätestens 2050 keine HFKW-Produkte mehr auf dem Markt in Umlauf zu bringen. Auch nach der neuen Verordnung sind beim Phase-down nicht alle F-Gase reguliert, aber man möchte die Fluorkohlenwasserstoffe, die hauptsächlich als Kältemittel eingesetzt werden, nun zunächst bis 2030 auf 5 % und bis 2050 auf null reduzieren.

Phase-down in der F-Gase-Verordnung
Quelle: Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik

Welche Folgen der Neuregelung treffen die Betreiber von Kälteanlagen am unmittelbarsten?

Rainer Henrici: Man sieht, dass es bereits ab 2027 zu einem sehr starken Rückgang der im Markt erhältlichen HKFW-Kältemittel kommen wird – und das führt indirekt zu klaren Einschränkungen bei fast allen Anwendungen. Verfügbar sind dann noch die Mengen, die bereits im Markt im Umlauf sind, aber auch dabei stellt sich die Frage, wie lange diese noch bereitstehen. Jetzt gibt es noch die Möglichkeit, Kältemittel aus bestehenden Anlagen wiederaufzubereiten und danach gegebenenfalls weiterzuverwenden.

Für welche Anwendungen ergeben sich aus der neuen F-Gase-Verordnung besondere Herausforderungen?

Rainer Henrici: Letztendlich ist das Ziel, von den Fluorkohlenwasserstoffen komplett wegzukommen. Wir müssen auch bedenken, dass die meisten der fluorierten Kältemittel zur Stoffgruppe der PFAS (polyfluorierte Chemikalien) gehören. Hier sind in den kommenden Jahren zusätzliche Einschränkungen zu erwarten. Die Novellierung der F-Gase-Verordnung berücksichtigt jetzt auch medizinische Anwendungen wie etwa Dosier-Aerosole für Asthmatiker, für die es mittelfristig noch keine Ersatzmöglichkeiten gibt.

Der Trend geht aber eindeutig weg von den Fluorkohlenwasserstoffen hin zu „natürlichen“ Kältemitteln. Dazu zählen Stoffe wie etwa CO2 oder Propan. Die bisher genutzten Technologien in Kälteanlagen werden damit obsolet und müssen durch neue ersetzt werden. Damit kommen auf die Betreiber nicht nur neue Investitionen, sondern auch prozesstechnische und bürokratische Herausforderungen zu.

Wie macht sich die Novellierung der F-Gas-Verordnung heute schon auf dem Merkt bemerkbar?

Bastian Kleinhenz: Natürlich wirkt sich die Verknappung von Kältemitteln auch auf deren Preis aus. Viele Betreiber gehen nun dazu über, ihre Kältemittel aus dem Ausland zu importieren, weil sie dort noch viel günstiger zu haben sind.

Rainer Henrici: Problematisch ist die Reduzierung der Mengen, die in den Verkehr kommen, auch hinsichtlich der wachsenden Bedeutung von Wärmepumpen. Da weisen die entsprechenden Verordnungen noch Widersprüchlichkeiten auf. Es werden ja nach wie vor Wärmepumpen mit Fluorkohlenwasserstoffen verkauft, und die Kunden hoffen, diese nicht in den nächsten Jahren schon wieder ersetzen zu müssen, weil es dafür möglicherweise keinen Service mehr gibt.

Die Änderungen der F-Gase-Verordnung beeinflussen auch die angestrebte Etablierung von Wärmepumpen. Hier gilt es noch, regulatorische Fragen zu klären, denn Kunden sehen Wärmepumpen als langfristige Investition.

Die Fristen für Verbote und Beschränkungen diverser Fluorkohlenwasserstoffe werden in der neuen F-Gase-Verordnung in Tabellen geregelt, die zwischen stationären Kälteanlagen, Kühlern („Chiller“ - Flüssigkeitskühlsätze) sowie Klimaanlagen und Wärmepumpen unterscheiden. Die Auflistung ist derart komplex, dass sie selbst Fachleute vor eine Herausforderung stellt.

Anwender sollen durch die neue Verordnung letztlich nicht mehr ermutigt werden, Fluorkohlenwasserstoffe als Kältemittel einzusetzen und sich stattdessen lieber jetzt schon mit möglichen Alternativen auseinandersetzen – beispielsweise auch mit brennbaren Kältemitteln wie Propan oder CO2. Kälteanlagen für diese Produkte zu bauen ist allerdings unter Umständen aufwendiger, und bei Propan ist auch der Brandschutzaspekt besonders zu berücksichtigen.

Es ist wichtig, sich schon heute mit neuen Lösungen für die Kältetechnik auseinanderzusetzen, um einen reibungslosen Übergang zu neuen Technologien und Kältemitteln zu gewährleisten.

Wie könnten Alternativlösungen zu den bisherigen Kältemitteln und Technologien in naher Zukunft aussehen?

Rainer Henrici: Ich denke, Planer werden in einigen Fällen hier kreative Lösungen erarbeiten. Ein Beispiel: Bei Wärmepumpen-Monoblockgeräten wird die gesamte Wärmepumpeneinheit mit den kältetechnischen Komponenten aus dem Keller vor die Tür aus dem Haus heraus verlagert. Das ermöglicht dann auch den Einsatz von Propan als Kältemittel. Solche Lösungen setzen natürlich den erforderlichen Platz voraus und eignen sich nicht für Mehrfamilienhäuser mit vielen Parteien. Daneben gibt es im Kühlbereich auch Units, die mit CO2 arbeiten, die man dort einsetzen kann, wo Propan wegen Brennbarkeit und Sicherheitstechnik problematisch wäre.

Bei der Umrüstung von Kälteanlagen spielt nicht nur der Preis für die Investition in neue Technologien eine Rolle: Lösungen mit CO2 gestalten sich aufwendiger, und das brennbare Propan erfordert besondere Sicherheitsmaßnahmen.

Bastian Kleinhenz: Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang ist, wie man im Zuge der Umstellung auf neue Kältemittel mit dem Altbestand an Kälteanlagen umgeht. Lässt sich dann für diese noch Service anbieten? Auch diese Frage ist derzeit noch nicht endgültig geklärt.

Mit dem einfachen Austausch der Kälteanlagen ist es aber sicher noch nicht getan …

Rainer Henrici: Für den Übergang zu neuen Technologien mit höheren Sicherheitsanforderungen ist natürlich auch die entsprechende Manpower erforderlich. Sowohl das Service-Personal als auch die Betreiber der neuen Anlagen müssen entsprechend geschult werden.

Neben Beratung und Schulung gilt es auch, neue Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen – und hier kommen dann auch die Fachleute von Infraserv Höchst wieder mit ins Spiel. In den Bestandgebäuden müssen wir ferner prüfen, ob die Brandschutzkonzepte auf die neuen Kälteanlagen abgestimmt sind – möglicherweise auch unter Einbeziehung von Experten der Feuerwehr. Auch die Notwendigkeit der regelmäßigen Durchführung von Dichtheitskontrollen bleibt mit der neuen F-Gase-Verordnung bestehen und wurde auf Kälteanlagen mit HFO (ab Füllmenge 1 kg) ausgeweitet – allerdings gibt es auch hier von Seiten des Gesetzgebers noch Unklarheiten, wie Dichtheitsprüfungen bei Kältemittel-Gemischen gehandhabt werden sollen.

Welche Herausforderungen kommen auf Betreiber von Kälteanlagen zu?

  • Schnelle Verknappung der im Markt verfügbaren F-Gase,
  • Verteuerung der Kältemittel,
  • graduelle Umstellung von fluorierten Kohlenwasserstoffen auf alternative Kältemittel wie CO2 oder Propan,
  • Umstellung auf neue Kälteanlagen-Technologien, die für die erlaubten Kältemittel geeignet sind,
  • Wahl der passenden Technologie für den jeweiligen Einsatzbereich, auch hinsichtlich Service- und Wartungsmöglichkeiten,
  • Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen,
  • Personal-Schulungen.

Wie kann Infraserv die Betreiber von Kälteanlagen bei der Umstellung unterstützen?

Bastian Kleinhenz: Zunächst schauen wir uns die Bestandsanlage vor Ort in ihrem speziellen Anwendungsbereich samt aller vorhandenen Dokumentationen an, bewerten diese und arbeiten anschließend ein Konzept für eine zukunftssichere, energieeffiziente Lösung mit dem optimalen Kältemittel aus.

Infraserv-Energieberater können zusätzlich Wege aufzeigen, welche Fördermittel für die Umstellung beispielsweise über die BAFA beantragt werden können.

Neben der kompetenten Beratung und Begleitung bei der Umrüstung auf neue Kälteanlagen und Kältemittel zeigt Infraserv Höchst auch Wege auf, wie sich der Übergang zur neuen, umweltfreundlicheren Kältetechnik möglichst kosteneffizient gestalten lässt.

Rainer Henrici: Das Beratungs- und Serviceangebot von Infraserv Höchst zur neuen F-Gase-Verordnung ist eng an den Anforderungen der Praxis ausgerichtet. Es liefert Betreibern eine umfassende Orientierungs- und Handlungshilfe, die es ihnen erlaubt, die Anforderungen der komplexen F-Gase-Verordnung rechtskonform umzusetzen.

Wir unterstützen Kunden dabei, Fristversäumnisse und Kältemittelknappheiten zu vermeiden – durch rechtzeitige Planung helfen wir, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Optimierungspotenziale auszuschöpfen. Während des Betriebs bestehender oder neuer Kälteanlagen kümmern wir uns auch gerne um die gesetzlich vorgeschriebenen Dichtheitsprüfungen.