Gefährdungsbeurteilung: Gefahrstoffe am Arbeitsplatz
Tätigkeiten mit Chemikalien wie das Herstellen und Umfüllen bis hin zum Verpacken und Lagern sind für Unternehmen mit einer ganz besonderen Verantwortung verbunden. Denn als Arbeitgeber müssen Sie gewährleisten, dass die Gesundheit der Mitarbeitenden in Ihrem Betrieb und die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen von Chemikalien zuverlässig geschützt werden. Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die darauf aufbauenden Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) bilden hierfür die rechtlichen Grundlagen.
Eine Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ist nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) für alle Betriebe verpflichtend, in denen Mitarbeitende
- in einer Umgebung tätig sind, deren Luft beispielsweise mit Schadstoffen wie leicht flüchtigen Lösemitteln oder Staub belastet ist;
- im Rahmen ihrer Tätigkeit mit gesundheitsgefährdenden Chemikalien umgehen;
- mit brandschutzrelevanten Stoffen hantieren.
Was sind Gefahrstoffe?
Alle chemischen Substanzen und Gemische zu den Gefahrstoffen, die die Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz beeinträchtigen können:
- Chemikalien, die als gefährlich eingestuft sind – erkennbar an den jeweiligen Piktogrammen und/oder Gefahrenhinweisen (H- bzw. EUH-Sätze),
- Sonstige gefährliche Stoffe, weil sie als Staub eingeatmet werden können, tiefkalt, sehr heiß, färbend, klebend oder stark riechend sind.
Gefahrstoffkennzeichnung: 9 Piktogramme und Beispiele
Seit der Einführung der CLP-Verordnung sind die GHS-Gefahrenpiktogramme Pflicht. In unserem Blog erfahren Sie alles über die wichtigsten Gefahrstoffgruppen, ihre Risiken und Praxisbeispiele zur sicheren Kennzeichnung.
Aufgaben des Unternehmers
Grundsätzlich muss der Unternehmer die Auswirkungen und insbesondere die Konzentration von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz messtechnisch oder z. B. rechnerisch beurteilen. Fehlt es im eigenen Haus an der fachlichen Kompetenz, können auch externe, am besten akkreditierte Messstellen mit der Gefährdungsbeurteilung beauftragt werden. Die Deutsche Akkreditierungsstelle ( DAkkS ) bietet auf ihrer Website eine Liste aller akkreditierten Messstellen.
Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe
1. Aufgabenbereiche und Tätigkeiten festlegen
Jeder Arbeitsplatz ist unterschiedlich und anderen Gefahren ausgesetzt. Deshalb müssen auch die Gefahrenpotenziale durch Chemikalien in Form von Dampf, Rauch oder als Staub in Produktionsbetrieben oder Laboren, aber auch beim bloßen Lagern individuell ermittelt und bewertet werden. Grundlage hierfür bilden eine Begehung des Betriebsgeländes sowie eine Inspektion der Arbeitsumgebungen.
Eine solche Bestandsaufnahme verschafft nicht nur einen detaillierten Einblick in betriebliche Strukturen und die Einsatzbereiche von Gefahrstoffen, sondern unterstützt auch bei der Erstellung des vorgeschriebenen Gefahrstoffverzeichnisses. Arbeitsbereiche und Tätigkeiten mit vergleichbarer Gefährdung können bei der Gefährdungsbeurteilung gemeinsam betrachtet werden. Nach welchen Kriterien die Einteilung der Aufgabenbereiche und Tätigkeiten erfolgt, hängt von den individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens ab.
2. Gefährdungen ermitteln und Risiken bewerten
Bei der Bewertung, inwieweit Mitarbeitende an ihren Arbeitsplätzen der gesundheitsbeeinträchtigenden Einwirkung von Gefahrstoffen ausgesetzt sind, spielen u. a. folgende Aspekte eine Rolle:
- Art der Tätigkeit
- Arbeitsbereich (Labor, Produktionshalle etc.)
- Art der Gefahrstoffe
- Wie oft und wie lang sind Mitarbeitende den Gefahrstoffen ausgesetzt?
- Besteht Brand- oder Explosionsgefahr?
- Werden Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten?
- Welche Schutzmaßnahmen (Absaugung, Unterweisungen, bis hin zur persönlichen Schutzausrüstung wie Schutzbrille, Schutzhandschuhe, Atemschutz) werden bereits ergriffen?
Alle ermittelten Gefahrstoffe müssen mit den entsprechenden Gefahrenhinweisen samt Zusatzinformationen (Mengen, Verwendung) in einem Gefahrstoffverzeichnis dokumentiert werden.
3. Ermittlung geeigneter Schutzmaßnahmen
Zur Beurteilung des Gefährdungspotenzials von Chemikalien liefern u. a. folgende Quellen zuverlässige Orientierung:
- Verfahrens-, stoff- und tätigkeitsspezifische Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)
- Handlungsempfehlungen der einschlägigen Unfallversicherungsträger, (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen),
- Sicherheitsdatenblätter,
- Von Herstellern bereitgestellte Gefährdungsbeurteilungen.
Eine Kategorisierung der Gefährdung durch Gefahrstoffe kann dabei z. B. nach der Art der Exposition oder deren Auswirkungen erfolgen:
- Hautkontakt,
- Einatmen,
- Hitze- oder Kälteeinwirkung,
- Brand- und/oder Explosionsgefahr.
Nach § 14 (3) der GefStoffV und der TRGS 410 muss ein Expositionsverzeichnis geführt werden, wenn Mitarbeitende bei ihren Tätigkeiten krebserzeugenden, erbgutverändernden (oder fortpflanzungsgefährdenden) Gefahrstoffen der Kategorien 1A und 1B ausgesetzt sind. Dieses Expositionsverzeichnis ist u. a. 40 Jahre aufzubewahren.
4. Maßnahmen durchführen
Ausgehend von der Gefährdungsbeurteilung wird ermittelt, ob die bestehenden Schutzmaßnahmen optimiert werden müssen, um die Gefährdung der Mitarbeitenden zu minimieren. Die Gefahrstoffverordnung listet hierzu „Grundpflichten“ und Mindeststandards auf, die in den TRGS 500 näher ausgeführt werden:
Substitutionsgebot
- Gefahrstoffe nach Möglichkeit durch weniger gefährliche oder ungefährliche Stoffe und Prozesse ersetzen.
Organisatorische Schutzmaßnahmen
- Minimierungsgebot: Das Ausmaß der Exposition und die Anzahl der exponierten Mitarbeitenden minimieren,
- Hygiene und Arbeitsplatzreinigung, fachgerechtes Beseitigen von Kontaminationen,
- Innerbetriebliche Kennzeichnung von Gefahrstoffen,
- Optimierte Prozesse zur Lagerung und Entsorgung von Gefahrstoffen,
- Betriebsanweisungen für die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen erstellen,
- Mitarbeitende transparent informieren und zum sachgerechten Arbeiten mit Gefahrstoffen schulen.
Technische Schutzmaßnahmen
- Vermeidung von Expositionen am Arbeitsplatz,
- Technische Schutzmaßnahmen an der Gefahrenquelle wie Absaugung der Gefahrstoffe.
Persönliche Schutzmaßnahmen
- Bereitstellung, Einsatz und Pflege persönlicher Schutzausrüstungen.
5. Überprüfung der Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen
Die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen muss laufend neu bewertet werden, um den nachhaltigen Schutz der Mitarbeitenden vor Gesundheitsschäden durch die Exposition gegenüber Gefahrstoffen zu gewährleisten. Sollten einzelne Gefahrenquellen nicht effektiv beseitigt worden oder neue hinzugekommen sein, müssen Nachbesserungen an den Schutzmaßnahmen erfolgen.
Gegebenenfalls müssen die betroffenen Mitarbeitenden persönliche Schutzausrüstungen tragen, bis die Gefahren durch gesundheitsschädliche Stoffe beseitigt worden sind. Das Tragen persönlicher Schutzausrüstungen darf jedoch kein Dauerzustand sein.
6. Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung
Die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe am Arbeitsplatz ist ein kontinuierlicher Prozess – zum einen, weil in Betrieben immer wieder neue Gefahrstoffe zum Einsatz kommen und zum anderen, um das Bewusstsein der Mitarbeitenden für die Gesundheitsgefährdung zu schärfen. Diese sollen selbstständig und konsequent Schutzmaßnahmen und Betriebsanweisungen an ihren Arbeitsplätzen umsetzen.
7. Dokumentation
Die regelmäßige Überprüfung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe am Arbeitsplatz bietet die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen nach Prozessänderungen schneller und effizienter in die Wege zu leiten.